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Von rassistischen Symbolen und Widerstand
Samstag, 21. März 2020

Im Zuge der globalen Black Lives Matter-Aufstände letzten Sommer wurden rassistische Wandbilder in der Primarschule Wylergut in Bern als ein Akt des Widerstandes übermalt. Heute am «Internationalen Tag gegen Rassismus» wie auch während der «Aktionswoche der Stadt Bern gegen Rassismus» wollen wir unsere Dankbarkeit ausdrücken für den Aktivismus von jenen, die der Stadt Bern gezeigt haben, wie mit solchen rassistischen Bildern in einem (staatlich finanzierten) öffentlichem Raum und Ort für Bildung umzugehen ist. Die Buchstaben N, C und I stellen nicht länger eine schwarze Person, eine asiatische Person und eine(n) indigene Person Nordamerikas dar, und Kinder, besonders Kinder of Color müssen solche Mikroaggressionen und Formen repräsentativer Gewalt nicht länger jeden Tag ertragen.

Dank der Arbeit der anti-rassistischen Organisator*innen, die diese rassistische Gewalt ans Tageslicht gebracht haben und aktiv wurden, um diesen Müll zu beseitigen, haben wir nun einen Grund zum Feiern. Mit der Akzeptanz solcher rassistischer und kolonialistischer Symbolik befürworten der Berner Stadtrat, die Primarschule Wylergut sowie die Kommission für Kunst den strukturellen und institutionellen Rassismus, der unsere Communities bedroht. Solche rassistischen Bilder können nicht getrennt von den Erkenntnissen von Mandy Abou Shoak und Rahel EL-Maawi betrachtet werden. In ihrer Broschüre «Rassismus in Lehrmitteln» beobachten sie, dass «vor allem Schwarze Menschen und People of Color abwertend dargestellt» werden. Auch wenn die Kommission für Kunst im öffentlichen Raum der Stadt Bern entschieden hat, die Wandbilder von der Schule zu entfernen, halten sie sie dennoch für erhaltenswert.

Diese rassistischen Bilder, von der Stadt Bern, insbesondere von der Primarschule Wylergut akzeptiert, stehen nicht im geringsten Gegensatz zum strukturellen Rassismus innerhalb von Bildungsinstitutionen -- im Gegenteil -- sie unterstützen und befördern diesen. Zentral für Rassismus ist, dass Schwarze und People of Color als Untermenschen konstruiert und auf eine Ebene mit Tieren gestellt werden. Genau dieser Kern animierte die Zeichner des rassistischen Wandalphabets sowie jene, die es im Laufe der Zeit und bis heute präservierten und verteidigen. Natürlich sehen die Verteidiger*innen des Zeichners die Entfernung dieser Bilder als Verunstaltung und Zensur. Sie bevorzugen andere Optionen, die ihnen das Privileg erlauben, sich in Projekten mit kolonialer Kunst «auseinanderzusetzen», währenddem sie persönliche Vorteile daraus ziehen können. Mit diesem Ansatz unterschätzen sie die symbolische Gewalt, die täglich auf Kinder der Primarschule Wylergut ausgeübt wird, insbesondere auf Schwarze Kinder und Kinder of Color.

Die Black Lives Matter-Bewegung kann nicht ausser Acht gelassen werden und die Aktionen des vergangenen Sommers, die auf den Mord von George Floyd durch die Polizei folgten, waren deutlich; Millionen nahmen sich die Strassen auf der ganzen Welt, einschliesslich von zehntausenden Menschen in der Schweiz, die demonstrierten und an die Namen jener erinnerten, die durch die Schweizer Polizei erschossen wurden; Mike Ben Peter, Hervé Mandundu, Lamin Fatty, sowie viele weitere. Die Globalen Kämpfe für Schwarze Leben, als eine Bewegung und nicht als Moment verstanden, nahmen viele Formen an – Mahnwachen, Mahnmäler, Demonstrationen, künstlerische Ausdrucksformen, langfristiges Organisieren und direkte Aktionen. Während an Kolonisatoren und Halter von versklavten Menschen gewidmete Statuen in der ganzen Welt im Geist von Rhodes must Fall zum Einsturz gebracht wurden, forderten Zürcher Aktivis*iInnen die Existenz der Statue von Alfred Escher heraus, dem Gründer der Credit Suisse und finanziellem Unterstützer der SBB, dessen Familie von der Arbeit versklavter Menschen auf ihrer Kaffeeplantage in Kuba im 18. Jahrhundert profitierten. In Neuenburg unterschrieben tausende von Menschen eine Petition, um die Statue von David de Pury, der seinen Reichtum durch die Ausbeutung versklavter Afrikaner anhäufte, zu entfernen. Student*innen und Professor*innen der Universität Genf üben weiterhin Widerstand gegen die Statue sowie gegen Benennung eines Gebäudes nach Carl Vogt, einem deutschen Wissenschaftler, Philosophen und Politiker des 19. Jahrhunderts, dessen rassistischen und sexistischen Ansichten weitreichend bekannt sind. Die unbekannten Aktivist*innen, die die rassistischen Symbole in der Primarschule Wylergut in Bern entfernt haben, reihen sich in diese Tradition des Widerstandes ein.

Wer hält solche rassistischen Symbole in der Öffentlichkeit für erhaltenswert? Und für wen sind sie erhaltenswert? Statuen, Bilder sowie Orts- und Strassennamen, die rassistische und koloniale Geschichte und heutige Realitäten aufrechterhalten wurden historisch von Menschen in Machtpositionen getragen. Wir lehnen nicht nur die rassistischen Bilder und Symbole in Schulen, sondern auch kolonialistische Bildung ab. Wir stellen den Status Quo in Frage, indem wir den Müll entsorgen. Diese Spuren einer tödlichen Vergangenheit, die nicht nur Vergangenheit ist, muss von unserem sichtbaren Umfeld entfernt, und in entsprechenden Archiven verwahrt werden. In den Archiven sollen diese Symbole in einer Weise kontextualisiert werden, dass anstelle der heutigen Entmenschlichung und Entwürdigung rassifizierter und minorisierter Gruppen die Geschichte der rassistischen Institutionen in der Schweiz sowie des Widerstandes klar gezeigt werden. Jene, die diese rassistischen Wandbilder übermalt haben, machten von dem perfekten Ansatz Gebrauch, um unser Schulsystem sowie alle Institutionen zu entkolonialisieren: Schulen als öffentliche Einrichtungen, in denen alle Gruppen anwesend sein, mitmachen, lernen und gedeihen können. Schulkinder sind nicht länger dazu gezwungen, an einer Wand entlangzulaufen, die Entmenschlichung und Gewalt verherrlicht. Stattdessen werden sie an den Widerstand jener Menschen erinnert, die strukturellem und schulischem Rassismus gegenübergetreten sind.

Entfernt alle kolonialen Objekte in öffentlichen Räumen! Bringt die rassistischen Statuen zu Fall! Entkolonialisiert den Lehrplan und alle Institutionen -- nicht nur als Lippenbekenntnis, sondern als wirkliche strukturelle Veränderung auf allen Ebenen! Eine gewalttätige Vergangenheit zu ehren heisst, einer gewalttätigen Gegenwahrt zu huldigen. Wir werden nicht aufhören, den rassistischen Status Quo herauszufordern.

Solidarisch,

Mohamed Wa Baile
Malana Rogers-Bursen
Noémi Michel
Vanessa Eileen Thompson
Suhyene Iddrisu
Mardoché Kabengele
Hamlet D'Arcy
Maneva Tafanalo Salaam
Yahya Dalib Ahmed
Iris Stricker
Dennis Schwabenland
Kanchana Chandran
Andrea Filippi
Epuka Anokwa
Timo Righetti
Brandy Butler
Armelle Ako
Keabetswe Boccomino
Vera Binswanger
Manue Zizzari
Outrage Collectif
Doreen Mende
Tatiana Desardouin
Martijn Kerkmeijer
Bibliothèque féministe La Molène
Sandra Marras
Toon Kerkhoff
ERIF (the European Race and Imagery Foundation)
Tino Plümecke
Lia Terry
Chantal Neuhaus
Dania Murad
The Racial Justice Student Collective (RJSC)
Kutayba Al Kanatri
Bel Parnell-Berry
Young Black Panthers
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